Sonntag, 15. April 2018

Künstlerische Freiheit





Die Diskussion um die Echonominierung dieses Jahr hat mich nachdenklich gestimmt. Ich habe mir Campinos Rede bei der Verleihung auf Youtube angesehen und auch die Reaktion von Kollegah und Farid Bang, einschließlich der Kommentare unter beiden Videos. Anschließend habe ich mir viele der Texte von „Jung Brutal Gutaussehend 3“ durchgelesen und Stichprobenhaft jeweils ein paar Lieder der CDs der anderen Nominierten aus der Kategorie Hip-Hop/Urban National. Dabei habe ich gerade mal bei zwei CDs keine frauenverachtenden Statements in den Texten gefunden.

Ansonsten werden munter Frauen und Mädchen zu Objekten stilisiert, die man gerne auch mal bedrohen oder beschädigen darf, um damit seinen Gegner zu treffen. Wahlweise sind es die Freundin, die Schwester oder auch die Mutter. In anderen Textstellen sind Frauen nicht mehr als Statussymbole, die den Rappern zu Füßen liegen und, außer allzeit bereit zu sein, nichts zu melden haben.

Wer jetzt denkt, dass das der Grund für den medialen Aufschrei gewesen ist und die Androhung Kollegah und Farid Bang von der Preisverleihung auszuschließen, der irrt. Dann wäre die Nominierungsliste für Hip-Hop/Urban National auch verdammt klein geworden, denn dieser Vorwurf hätte nicht nur die Beiden betroffen.
Nein, am Ende war es ein einziges Wort, wegen dem den Beiden beinahe der Preis verwehrt wurde: Ausschwitzinsassen.
Das in unzähligen anderen Textstellen über die ganze CD verteilt rund 41 Millionen Menschen der in Deutschland lebenden Bevölkerung zu Objekten ohne Rechte stilisiert werden, die man benutzen und zerstören kann, interessiert scheinbar nur wenige.

Es gibt immer noch Länder in dieser Welt, in denen Frauen unterdrückt werden und um das selbstverständliche Recht der Gleichberechtigung kämpfen müssen.
Dass gleichzeitig in Deutschland CDs mit frauenverachtenden Texten für einen Musikpreis nominiert werden, und eine davon ihn auch noch gewinnt, sagt viel über den wirklichen Stand unserer Gesellschaft zur Gleichstellung der Frau aus, und ist ein Schlag ins Gesicht für einen etwa 1 ½ Jahrhunderte andauernden Kampf um absolute Gleichberechtigung.

Wer glaubt, unter dem Deckmantel der künstlerischen Freiheit 51 % der Gesellschaft in Deutschland mit Füßen treten zu können und dabei meint, Kritik erhaben zu sein, entzieht sich der Verantwortung, die jeder Künstler hat. Kunst bestimmt die Werte eines Landes zu einem hohen Maß mit und schafft Kultur. Deshalb tragen alle Künstler Verantwortung und müssen sich fragen, in was für einer Welt sie leben und für welche Werte sie einstehen wollen.

So, wer bis hierhin gelesen hat, dem wünsche ich viel Spaß mit meinem ersten Poetry überhaupt.


Künstlerische Freiheit

Ihr reißt eure Klappe auf, aber
nein danke, da zappe ich aus.
Ich les keinen Goethe und trotzdem,
denkt ihr wirklich, ich wäre so blöde?

Eure Texte seien doch nur Provokation,
der Slogan der Jungend, volle Faszination.
Eure Fans, die stimmen mit ein und schrein:
Das ist nicht echt, das sind Kunstfiguren, kleine Karikaturen.
Mach deine Hausaufgaben, statt das nachzulabern,
was alle sagen! Hier geht‘s um Battle, das ist unsre Kultur
ein Kampf mit Worten, Gesellschaft in Miniatur.

Im Prinzip ist das völlig cool, nur ein Tool,
solange ihrs wisst, die Verantwortung nicht vermisst.
Mit euren Worten brecht ihr Tabus,
ihr öffnet Pforten und bringt eure Fans zu anderen Orten.
In Worten liegt Kraft, sie haben die Macht, uns und das,
was wir denken, in eine andere Richtung zu lenken.

Ihr lügt, wenn ihr sagt, dass ihr das nicht wisst.
Genügt eurer Verantwortung nicht und vergesst.
Ihr redet euch raus, verharmlost Hass
und Gewalt in euren Texten als Provokation
und verändert die Werte einer ganzen Generation.

Ihr redet von Bitches, Schlampen und Nutten,
meint aber Frauen und Mädchen. Doch wisst ihr was?
So was sagt man nicht einfach mal so zum Spaß!
Wo bleibt der Respekt vor euch und den andern?

Die Kids ziehen sich‘s rein, ihr lasst euch feiern und
mit Schmähungen auf den Kritikern herumeiern.
Doch was bleibt sind die Worte allein,
tausendfach auf Repeat gehört, gehn sie in alle Ohren hinein.

Wozu wollt ihr jetzt die Opfer spieln,
so tun, als würde Kritik auf Zensur abzieln?
Nur weil ihr meint, dass sie‘s in den Battles alle so machen,
ist das noch kein Grund, jeden Andersdenkenden auszulachen.
Ihr seid verantwortlich für das, was ihr tut.
Das einzugestehen, fehlt euch dazu der Mut?

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Wie denkt ihr über die Echodiskussion und wie steht ihr zu Gangsta-Rap?

Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag, genießt die Sonne!

Kryps

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