Donnerstag, 18. Juni 2009

Putzaktion II


Hanna strich sich seufzend durchs Haar. Eigentlich war es eine ziemliche Schnapsidee gewesen ihrem Chef die Sache mit der Putzaktion vorzuschlagen. Sie sah auf die Uhr. Zehn vor halb acht. Erneut glitt ihr ein Seufzer über die Lippen. Der würde ja in spätestens einer Stunde nach Hause gehen. Das könnte sie auch, wenn sie nicht heldenhaft die beiden Jungs gerettet hätte. Sie beugte sich hinunter zu ihren Füßen und massierte sich kurz ihre Waden. Mit einem dritten Seufzer richtete sie sich wieder auf. Ihr Blick wanderte kurz durch das Stockwerk zu – wie hieß er noch gleich? Ach genau – Vladimir. Der war damit beschäftigt das Regal mit dem Kleintierzubehör aufzufüllen. Seine Augen waren starr auf die Heuballen geheftet. Sie beobachtete ihn kurz, zuckte schließlich mit den Achseln und wandte sich der Treppe zu. Als sie um die letzte Windung kam stockte sie.
„Das gibt’s doch nicht!“, mit tiefen Furchen auf ihrer Stirn starrte sie zum Koibecken.

Da stand ihre Tochter direkt vor diesem Victor, der knallrot angelaufen war und unruhig von einem Bein auf das andere trat. Er war nicht einmal in der Lage den Blickkontakt aufrecht zu erhalten. Immer wieder wichen seine Augen zu seinen Händen oder Füßen hin aus. Hanna warf einen Blick zu ihrer Kollegin an der Kasse. Diese hob fast entschuldigend ihre Schultern. Sie spürte wie ihr ganzer Körper sich anspannte, als sie auf die beiden Turteltauben zu ging.
„Mona Du kannst schon mal nach Hause gehen. Wir brauchen hier noch eine Weile.“, ihre Stimme zitterte leicht und klang nicht annähernd so scharf, wie sie es sich gewünscht hätte.
Prompt wandte Mona sich ihr mit einem Lächeln zu:
„Aber ich kann euch auch helfen...“
Der kurze Blick, den Mona bei ihren Worten Victor zuwarf gab Hanna einen Stich ins Herz. Verdammt Mädel, kannst Du nicht einen besseren Geschmack haben? Du bist doch meine Tochter, oder etwa nicht? Der Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Schnell packte sie Mona an den Schultern und schob sie weg von dem Jungen. Wenn sie sich wenigsten den anderen rausgesucht hätte, der war immerhin im Ansatz schon männlicher.
„Du gehst jetzt schon mal.“, diesmal klangen ihre Worte bestimmter.
Mona sah ihr direkt in die Augen. Sie widerstand der kurzen Versuchung weg zu sehen. Stattdessen nickte sie mit dem Kopf Richtung Ausgang.
„Soll ich dann alleine laufen?“
„Du kannst Deinen Vater anrufen und ihn fragen ob er Dich abholt, wenn es Dir zu weit ist.“
Sie beobachtete wie ihre Tochter kurz die Stirn runzelte sich mit einem Kopfnicken umdrehte und langsam Richtung Ausgang schlenderte. Der kurze Blickkontakt zu Victor entging ihr dabei keineswegs. Als sie sah wie Mona ihre Hüften betont von links nach rechts schwang fühlte sie Wut in sich aufsteigen. Sie unterdrückte den spontanen Impuls ihr nachzulaufen und sie kräftig durch zu rütteln. Dafür baute sie sich direkt vor Victor auf und versperrte ihm mit ihrem Körper den Blick auf das Becken ihrer Tochter.
„Bist Du fertig?“
Kritisch beäugte sie sein Werk. Der gröbste Dreck war im Putzeimer. Sie glaubte zu spüren, wie er leicht den Oberkörper zur Seite lehnte, um um sie herum sehen zu können. Instinktiv bewegte sie sich in die selbe Richtung. Das leise Hüsteln von ihm zauberte ihr ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Als sie ihn ansah blickte er zu Boden.
„Naja, den Rest können die Putzfrauen später machen.“
Nachdem sie Victor gezeigt hatte wo er seine Hände waschen konnte bugsierte sie ihn nach oben zu seinem Freund. Sie stöhnte leise auf, als sie sah, dass dieser von einer alten und ziemlich dattrig wirkenden Frau in ein Gespräch verwickelt worden war. Warum tat hier eigentlich niemand das was er tun sollte? Sie schob sich neben Vladimir, sah ihn kurz an:
„Zeig Deinem Kumpel wie das mit den Regalen funktioniert.“, als der ihr zunickte schob sie sich zwischen ihn und die Frau.
Mit dem strahlendsten Lächeln, zu dem sie im Moment noch fähig war wandte sie sich der Alten zu:
„Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
„Ja, wissen Sie ich suche dieses Spezialfutter für meinen Wellensittich. Der junge Mann da meint er könne mir nicht helfen. Aber er arbeitet doch hier, nicht wahr?“
Hanna legte behutsam ihre Hand auf den Arm der Dame, am Besten nicht auf die Sache mit dem jungen Mann eingehen:
„Kommen Sie, ich zeig Ihnen wo das Vogelzubehör steht und dann suchen wir in Ruhe nach dem Futter, dass Ihr kleiner Liebling braucht.“
Vertraulich hackte sie sich bei der alten Dame unter und verschwand mit ihr um die nächste Ecke.

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