Montag, 23. März 2009

Strassenbahn III


Bastian fuhr sich durch seine blonden Locken. Sein Gesicht fühlte sich heiß an. Er hielt sich die kalte Colaflasche an die Wange, aber auch das half nicht gegen die Hitze, die in seinem Inneren war. Er konnte den Blick nicht abwenden von dem dunkelhaarigen Typen, der sich längst wieder zu seinem Kumpel gesetzt hatte. Lässig sah er aus, wie er so dasaß, breitbeinig in den Sitz gelehnt, eine Hand locker auf dem Oberschenkel gestützt, die andere in den Schoß gelegt. Jetzt lachte er wieder mit seinem Kumpel. Worüber lachten die eigentlich die ganze Zeit? Hatte der Kumpel gerade zu ihm hingesehen? Lachten sie etwa über ihn? Bastian spürte ein Kribbeln in der Magengegend, ihm wurde heiß. Er biss seine Zähne zusammen, bis sein Kiefer völlig angespannt war. Er bemerkte nicht, dass er die freie Hand zur Faust ballte. Die Straßenbahn kam mit einem leichten Ruck an der nächsten Haltestelle zum Stehen. Er sah wie die beiden Kontrolleure ausstiegen. Die Frau sah kurz zu ihm hin, sie sagte etwas zu ihrem Kollegen. Die Bahn bimmelte, setzte sich ruckelnd in Bewegung und Bastian verlor Beide aus dem Blick. Ohne darüber nachzudenken stand er plötzlich auf seinen Füßen, ergriff mit der freien Hand seinen Rucksack und bewegte sich auf den Dunkelhaarigen zu.

Der Blonde bemerkte sein Kommen zuerst und machte seinen Freund mit einer Kopfbewegung auf ihn aufmerksam. Als dieser seinen Kopf in seine Richtung drehte stockte Bastian für einen Moment der Atem. Was tat er hier eigentlich? Was wollte er? Er verlor sich in den dunklen Augen des Anderen. Mit der Zunge fuhr er sich schnell über die Lippen und hatte plötzlich den Geschmack von Schweiß im Mund.
„Warum hast Du Dich eingemischt?“, die Worte kamen zittrig und gepresst. Dabei hätte er den Anderen am liebsten barsch angefahren.
Der sah ihn mit ernstem Gesicht an. Seine Augen ließen Bastian nicht aus dem Blick. Er zog die Stirn leicht in Falten.
„Keine Ahnung. Hat so ausgesehen als könntest Du ein wenig Unterstützung gebrauchen.“, er lächelte ihm zu.
Dieses Lächeln war für Bastian wie ein Schlag. Sein Magen fühlte sich an als würde jemand mit einer großen eisernen Faust zugreifen und ihn zusammenquetschen. Ein Schnauben kam über seine Lippen, seine hellen Augen funkelten einen Augenblick. Du Arschloch!, hätte er am liebsten gebrüllt. Kommst Dir wohl superschlau vor, hmm? Sein Herz klopfte wild in seiner Brust. Er war sich sicher, dass der Dunkelhaarige und sein Kumpel es hören müssten. Das Blut schoss ihm in den Kopf. Was ist mit Dir und Agnes? Um ein Haar wären die Worte über seine Lippen geglitten. Im letzten Moment presste er sie aufeinander und konnte sie aufhalten. Die Gedanken wirbelten durch seinen Kopf und er konnte das Blut in seinen Ohren rauschen hören. Er sah wie der Dunkelhaarige seine Lippen bewegte. Aber seine Worte drangen nicht bis zu ihm durch, sie waren zu leise um das Rauschen zu übertönen. Ein Rucken ging wieder durch die Bahn und es dauerte einen Augenblick bis er begriff, dass sie erneut an einer Haltestelle angekommen waren.
„Ich muss hier raus. Jedenfalls danke für Deine Hilfe.“
Bastian wartete keine Antwort ab. Er hatte seine Schuldigkeit getan. Mit einer schnellen Drehung wandte er sich ab und stürzte in Richtung Ausgangstür. Dort versperrte eine Frau mit einem Kinderwagen den Weg. Im letzten Moment konnte er seine Schritte stoppen, bevor er in sie hinein stolperte. Er drängte sich an ihr vorbei.
„Ey! Pass doch auf!“, sie rieb sich kurz den Arm und versuchte dann den Kinderwagen auf die Straße zu heben. „Kannst Du mir mal helfen?!?“
Er hörte ihre Worte, aber sie drangen nicht wirklich bis zu ihm durch. Ihm schlug eine kalte Brise entgegen und er sog mit einem langen Atemzug die kalte, feuchte Luft ein. Tropfen fielen auf sein heißes Gesicht. Ohne auf den Verkehr zu achten überquerte er die Fahrbahn. In der Ferne hörte er Reifenquietschen und die Hupe eines Autos. Sein Herz schlug immer noch in einem ungleichmäßigen Takt. Er konnte es nicht in Worte fassen, aber er kam sich so klein und so gedemütigt vor. Im schnellen Schritt lief er einige hundert Meter bevor er atemlos stehen blieb. Nach Luft schnappend sah er sich um. Die Kälte, der Regen und der Wind brachten ihn langsam in die Wirklichkeit zurück. Wo war er eigentlich? Er wandte den Kopf auf der Suche nach etwas Markantem, woran er sich orientieren könnte.

1 Kommentar:

  1. Auch wenns Strassenbahn III heißt ist es eine neue Situation. Ich wollte Bastian nicht einfach nur aussteigen lassen & hab mich deshalb entschieden noch eine Station weiter mitzufahren :).
    Bastian hat übrigens keinen Herzfehler. Mein persönlicher Lektor meinte dies könne der Leser nun denken, wenn ich schreibe "ungleichmäßigem Takt". Zuvor wars der "schnelle, ungleichmäßige Takt", aber eine Zeile später läuft er ja im schnellen Schritt und die Wiederholug hat sich blöd gelesen. Die Alternativvorschläge meines Lektors waren auch nicht besser (ich hoffe er liest das nicht :)).

    Grüße

    Kryps

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