Donnerstag, 25. Dezember 2008

Weihnachtsmarkt I

Atemlos rannte Vladimir neben Viktor her. Sein kurzes, blondes Haar wippte im Takt seiner Schritte und er hörte Viktor neben sich lachen.
„Hast Du ihr Gesicht gesehen, als Du auf die Banane getreten bist?“, Viktors helle, graue Augen strahlten ihn an, „Schätze sie hätte gleich losgeflennt.“
Vladimir nickte nur, während er seinen Schritt wieder verlangsamte. Viktor redete weiter auf ihn ein und machte die verschiedensten Bemerkungen über das verrückte Mädchen. Als endlich die Stände des Weihnachtsmarktes vor ihnen auftauchten, lies ein tiefes Schnauben von Vladimir ihn verstummen. Ihm war als habe der genug von ihr gehört. Viktor verstand nicht ganz. Was war nur los mit Vladimir? Sonst war er doch auch für jeden Blödsinn zu haben. Schließlich war es doch Vladimirs Idee gewesen hinter dem Mädchen herzulaufen! Seufzend zuckte er mit seinen Achseln und trottete schweigend neben ihm her. Nachdem früher Nachmittag war, war am Markt noch nicht viel los. Geschickt drückten sie sich zwischen den Ständen hindurch, bis sie bei dem Stand mit der Feuerzangenbowle, in der Nähe des alten Kinderkarussells, angekommen waren. Die Verkäuferin legte ihren Kopf zur Seite und sah sie durchdringend an. Auf Vladimirs Stirn zeichneten sich ein paar Falten ab, während er ihren Blick erwiderte. Er sah älter aus als er war, und normalerweise hatte er nie Probleme Alkohol zu bekommen oder in Diskotheken hinein gelassen zu werden. Das war der Grund warum er immer vor ging. Ein, zwei Sekunden dauerte ihr Blickkontakt an. Vladimir fürchtete schon, dass sie gleich nach ihren Ausweisen fragen würde. Er spürte wie Viktor neben ihm von einem Fuß auf den anderen trat und hörbar ausatmete. Konnte der Idiot sich nicht einmal weniger auffällig verhalten? Er schob sich fast unmerklich vor Viktor und gab ihm einen leichten Schubser.
„Gehts da vorne mal weiter? Ich hab schließlich nicht den ganzen Tag Zeit!“, dröhnte eine dunkle Stimme von hinten.
Vladimir drehte mit einer schnellen Bewegung seinen Kopf nach hinten. Ein Herr mit dunklen, lockigen Haaren und einem schwarzen Schnauzbart sah die Verkäuferin mit zusammengekniffenen Augen an. Diese zuckte mit den Achseln und machte sich daran die beiden Feuerzangenbowlen einzuschenken. Viktor grinste den Herren breit an, als sie sich mit ihren Bechern an ihm vorbei drängten. Dieser beachtete sie aber nicht weiter, schob sich stattdessen hastig an ihnen vorbei, um seine Bestellung aufzugeben. Sie entschieden sich für einen Stehtisch in der Nähe des Kinderkarussells. Musik dröhnte aus alten Lautsprechern und klang etwas blechern. Viktor versuchte mitzusingen. Er hopste ein paar Mal im Takt der Musik und riss seine Arme nach oben, bevor sie beide in Gelächter ausbrachen. Am Kinderkarussell war mehr los als auf dem Rest des Weihnachtsmarktes. Eine Frau, die mit drei kleinen Kindern unterwegs war, sah zu ihnen hinüber und bedeutete den Kindern auf die andere Seite des Karussells zu gehen. Die drei verdrehten ihre Köpfe nach den beiden großen Jungs und der kleine Junge wäre fast über seine eigenen Füße gestolpert. Aber Vladimir und Viktor achteten nicht auf die Frau oder die Kinder. Sie prosteten sich zu und lachten laut. Beide nahmen sie einen tiefen Schluck aus ihren Tassen. Als die Tassen leer waren zog Viktor los, um Nachschub zu holen. Vladimir legte seine Ellbogen auf den Stehtisch und stützte seinen Kopf mit beiden Händen auf. Er lächelte während er dem warmen Gefühl in seiner Magengegend nachspürte. Mit leerem Blick starrte er auf das Karussell, das sich langsam im Kreis drehte. Er bemerkte nicht, wie die Frau mit den drei Kindern immer wieder zu ihm hinüber äugte, während die Kinder sie um eine weitere Fahrt anbettelten. Die Frau wollte die drei Quälgeister alle in einen der großen Wagen setzen, aber der kleine Junge bestand darauf auf einem Pferd zu sitzen. Schließlich ließ sie ihm seinen Willen. Vladimir überlegte, warum eigentlich nur Pferde und Wägen auf diesem alten Karussell waren. Er beobachtete den kleinen Jungen, der mit strahlendem Gesicht und hoch erhobenen Kopf auf dem Pferd saß und plötzlich bekamen seine hellen Augen einen glasigen Ausdruck. Einen Moment lang schien es ihm als würde der Kleine ihm direkt in die Augen sehen und seine Gedanken lesen. Vladimir schreckte auf, als Viktor ihm die zweite Tasse vor die Nase stellte. Laut prosteten sie sich zu und er nahm einen tiefen Schluck.
„Lass uns weiter ziehen!“, auffordernd sah er Viktor an, während er seine halbleere Tasse auf den Tisch stellte.
„Wieso?“, Viktor machte nicht den Anschein als wollte er weiter.
„Weil die anderen auf uns warten und weil mich die Musik nervt!“. Vladimir nahm seine Tasse, leerte sie in einem Zug und drehte sich weg. Viktor schob seine Unterlippe nach vorne und stieß einen lauten Seufzer aus bevor er Vladimir folgte. Flüchtig streifte sein Blick die Frau mit den drei Kindern. Sie sah Vladimir mit einem langen Blick nach. Viktor runzelte die Stirn und heftete sich neben Vladimir.
„Warum guckt die so komisch?“ „Wer?“ „Na, die Frau am Karussell!“
Vladimir drehte nicht mal den Kopf, als er antwortete: „Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist sie froh, dass Du nicht mehr tanzt!“ Er grinste Viktor breit an. Dessen Augen blitzten und er gab Vladimir einen Stoß in die Seite. Dieser jaulte kurz auf, zur Revanche schubste er Viktor heftig. Der Alkohol tat sein übriges, so dass dieser sein Gleichgewicht verlor und direkt in den nächsten Passanten stolperte. Beide erstarrten. Blitzschnell richtete er sich wieder auf und starrte den Angerempelten an. Der starrte mit weit aufgerissenen Augen zurück, er hatte sich nur mit Mühe auf den Füßen gehalten. Viktor murmelte eine Entschuldigung, während Vladimir ihn am Arm packte und schnell weiter zog. Er drehte sich noch einmal um. Irgendwie kam ihm dieser Typ bekannt vor. Dann fiel es ihm wieder ein und er begriff warum Vladimir ihn so schnell weiter gezerrt hatte. Das war doch der Typ gewesen, der die Verrückte angesprochen hatte! Was wollte der eigentlich von ihr? Er raunte Vladimir etwas ins Ohr, beide fingen sie an zu lachen. Sie lachten immer noch, als sie schon bei einem anderen Teil des Marktes am Glühweinstand in der Nähe der Holzfasssauna waren und dort auf ihre Kumpels warteten.

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